Beratungszentrum für Tierverhalten
Tiere verstehen ... leichter erziehen!

Unsere Meinung zum Thema KASTRATION bei Rüden  

Das Wichtigste vorweg: die Frage, ob es sinnvoll ist, den Hund kastrieren zu lassen, muss immer individuell beantwortet werden, deshalb darf nicht pauschal geurteilt werden. Trotzdem gibt es Fakten, die allgemein gültig sind und berücksichtigt werden sollten. Bei Rüde oder Hündin ist die Sachlage vollkommen unterschiedlich, deshalb dürfen die geschlechtsbezogenen Fakten nicht durcheinandergebracht werden! Und hören Sie nicht auf Internetforen: hier wird oft sehr fanatisch und emotional argumentiert, persönliche Meinungen als wissenschaftliche Fakten ausgegeben, das ist wenig hilfreich!

Entscheidungshilfe bei RÜDEN

Kastration auf jeden Fall:  

· bei Kryptorchiden (= ein Hoden ist in der Bauchhöhle verblieben und nicht in den Hodensack gewandert) ist das Risiko sehr hoch, dass der Hoden entartet (d.h. tumorös wird), sowie aus anderen medizinischen Gründen, z.B. bei schwerer Prostata-Erkrankung;

· wenn der Rüde mit einer unkastrierten Hündin in einem Haushalt lebt (oder in direkter Nachbarschaft). Trifft ein Rüde auf eine läufige Hündin, überwiegt sehr schnell ein starker Geschlechtstrieb alles andere! Viele Rüden vergessen sogar zu fressen und sich zu lösen, wollen weder gestreichelt werden, noch spielen, sie heulen oder winseln und sind im wahrsten Sinne des Wortes liebeskrank. Das ist weder für den Hund noch für den Besitzer angenehm!

· wenn der Rüde mit einem anderen unkastrierten Rüden zusammenlebt und es immer wieder zu Rangordnungsproblemen und Aggressionen zwischen den Hunden kommt. Kastriert werden sollte dann der Rüde, der unterlegen scheint (damit die Ordnung klarer und konstant wird).  

Kastration ist empfehlenswert:

· bei unerwünschtem Markierverhalten. Uriniert der Rüde gerne an Ecken, hängenden Kleidungsstücken oder Gegenständen im Haus (häufig vor allem dort, wo auch andere Tiere ein- und ausgehen), hat man mit einer Kastration häufig die Chance, selbst ohne ein weiteres Training, dies zu mindern sogar ganz abzustellen!

· wenn der Rüde häufig auf unterschiedliche Hunde trifft und hier entweder sozialexpansives Verhalten gegenüber anderen Rüden zeigt und/oder starkes Sexualverhalten zeigt und sich kaum mehr für etwas anderes interessiert.  

Die Vorteile einer Kastration überwiegen vermutlich die Nachteile:

· wenn man mit dem Hund häufig an Orten unterwegs ist, an denen viele fremde Hunde getroffen werden (z.B. im Urlaub: Hundestrand, Campingplätze; bei Parkbesuchen etc.);  

· wenn kleineren Kindern in der Familie leben und Sexualverhalten gegenüber Menschen gezeigt wird (oft an Kindern bzw. deren Spielbesuchskindern, auch werden Kinder manchmal als Konkurrenten oder unterlegene Sozialpartner wahrgenommen und es kann zu Aggressionsverhalten kommen);

· bei kleinen Rüden, die aggressives Verhalten gegenüber großen Rüden zeigen (Eigenschutz);  

· bei allen Aggressionsproblemen, die nicht angstbedingt sind.  

Eine Kastration sollte vermieden werden:  

· bevor der Hund ausgewachsen und voll entwickelt ist (es gibt Hinweise, dass sich eine zu frühe Kastration eventuell nachteilig auf die Entwicklung des Bewegungsapparates auswirkt);  

· bei allen Angstproblemen (männliche Geschlechtshormone können nicht nur für Machogehabe und Aggression sorgen, sondern auch für gesundes Selbstbewusstsein!), hier sollte vorher auf jeden Fall überprüft werden, ob ein Abfall der Hormone die Probleme eventuell verschlimmern kann;

· wenn man befürchtet, der Hund könne die Narkose nicht überstehen;

· bei ohnehin schon bestehender Gewichtsproblematik oder Rassen mit entsprechender Prädisposition (Testosteron kurbelt auch den Stoffwechsel an).   

Kastration Rüde: Vor- und Nachteile

 

 


PRO

CONTRA

meist verspielter, manchmal ruhiger

Narkoserisiko und Kosten

umgänglicher mit anderen Hunden

bei manchen Rassen verändertes Fell (meist etwas struppiger, s.g. Welpenfell)

weniger oder kein Streunen

bestimmte Tumore können event. gehäuft auftreten *

seltener Sexualverhalten (Aufreiten, Winseln, extremes Lecken etc.)

vorhandene Angstprobleme können sich verstärken

weniger oder kein Markierverhalten

u.U. Gewichtszunahme und Temperament wird manchmal etwas ruhiger

eventuell werden kastrierte Hunde älter,  d.h. leben 1-2 Jahre länger *

Hund wird manchmal von anderen Rüden besprungen (besonders bei Kastration im Feb./März*)

 * eventuell heißt: neuere Studien deuten darauf hin, sind aber in ihrer Aussagekraft nicht ganz eindeutig, da z.B. nur eine Hunderasse untersucht wurde oder die Studie in den U.S.A. gemacht wurde und vielleicht nicht  komplett auf Europa übertragbar ist o.ä.

Unser Fazit: Eine Kastration ist ein medizinischer Eingriff und bedarf einer Indikation, sie ersetzt keine Erziehung. Für die meisten Rüden hat eine Kastration mehr Vor- als Nachteile, die Hunde haben ein freieres Leben, für die meisten Familien wird der Hund unkomplizierter, fröhlicher und weniger triebgesteuert. Man sollte die Entscheidung aber gut durchdenken, schwierigen Pubertätsphasen erst erzieherisch entgegenwirken und im Zweifel eine chemische Kastration in Erwägung ziehen (hier wird dem Rüden ein Depot gespritzt, welches sich über Monate hinweg langsam aber vollständig wieder abbaut, es kommt somit zu einer zeitlich begrenzten Kastration). Auf keinen Fall sollte man einen unsicheren Jungrüden früh kastrieren, da es dann eher zu angstbedingtem Aggressionsverhalten kommen kann!